Von Hospital de Orbigo nach Astorga Wege mit Aussicht 17,380 km – 24.840 Schritte – 1.548 k/cal
7.00 Uhr – Aufstehzeit. Manfred gratuliert mir zum Geburtstag, überreicht mir ein Geschenk. Ich muss ihn enttäuschen, mein Geburtstag ist erst morgen. Aber nichts für ungut, der Jakobsweg lässt auch manch anderes vergessen. Weil ich weiß, dass wir auch morgen gemeinsam auf dem Pilgerweg sein werden, gebe ihm die Chance mir dann erneut zu gratulieren.
Wir verlassen Hospital de Orbigo, erreichen nach etwa 45 Minuten Villares de Orbigo. Dieser Ort liegt am Rande eines kleinen Flusstales. Wir streifen anschließend einen leicht ansteigenden terrassierten Hang, auf dem Obst und Wein gedeihen und folgen dem Weg bis Santibanez de Valdeiglesias immer am Rand einer vielbefahrenen Landstrasse. Bald erreichen wir die Hochfläche des Paramo, haben einen herrlichen Blick auf San Justo de la Vega und den schneebedeckten Montes de Leon. In Justo de la Vega machen wir eine kurze Kaffeepause und genießen wenig später einen ersten Blick auf unser noch circa 4 Kilometer entferntes Tagesziel Astorga. Knapp sechzig Minuten später erreichen wir unsere Unterkunft. Schnell unter die Dusche, frische Kleidung und los geht´s zum Rundgang durch die Kathedralenstadt Astorga mit dem Bischofspalast, dem Museum Romana und der Kirche San Francisco mit den offen zugänglichen Ausgrabungen einer römischen Villa. Wir essen eine Kleinigkeit, besorgen uns Weißbrot, etwas Käse und Agua Mineral und fallen gegen einundzwanzig Uhr müde in unsere Betten.
Von Astorga nach Rabanal del Camino Rote Wege rote Dörfer 19,500 km – 27.850 Schritte – 1.736 k/cal
Same procedure as yesterday : 7.00 Uhr aufstehen. Manfred gratuliert mir zum Geburtstag, überreicht mir ein Geschenk.
Heute bedanke ich mich bei ihm, verspreche ihm für heute Abend eine kleine Feier.
Nach einem schnellen Frühstück gehen wir los. Einen so schönen Sonnentag mit einem herrlichen azurblauen Himmel hatte ich an meinem Geburtstag schon lange nicht mehr ! Das Thermometer zeigt gegen zehn Uhr bereits 33 Grad im Schatten. Weil ich zu den wenigen Menschen gehöre, die kein Handy besitzen, kommen die Geburtstagsgrüße aus der Heimat auf Manfred´s Gerät an. Ich freue mich darüber und sage denen, die mir gratuliert haben auch an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön !
Wir gehen auf einem ebenen Fußweg und bemerken, dass die Farbe des Erdbodens mehr und mehr rot wird, ebenso die unverputzten Wände der Häuser. Unterwegs treffen wir 2 junge Frauen aus Estland, bitten sie ein Foto von uns zu machen. Und weil wir wohl nicht jeden Tag junge Estländerinnen treffen werden, machen wir auch von ihnen ein Foto, wechseln noch ein paar Worte und gehen weiter. Zehn Kilometer später, in El Ganso, legen wir eine Pause ein und treffen die beiden wieder. Sie verraten uns, dass beide studieren, erzählen uns Einiges über ihr Land, ihr heutiges Verhältnis zu Russland und ihre Beweggründe, auf dem Camino zu pilgern. Wir finden die freundliche Art und die Intelligenz der beiden bemerkenswert. Schließlich gehen wir weiter, etwa sechs Kilometer liegen noch vor uns. Noch einmal machen wir eine neue Bekanntschaft. Ein Ehepaar aus Kanada begleitet uns, legt aber kurz vor Rabanal del Camino noch einmal eine Pause ein. Wir gehen weiter.
Um 19 Uhr treffe ich mich mit Manfred im Meson „ El Refugio“, in dem wir auch übernachten, zu meiner Geburtstagsfeier. Während des Essens kommt eine „Marion aus Stuttgart“ zu uns an den Tisch. Wir unterhalten uns über unsere bisherigen Erlebnisse und Erfahrungen auf dem Camino . Sie bittet mich, ihr beim Senden einer Email behilflich zu sein und verbringt den weiteren Abend am Computer.
Beim Aufschreiben meiner heutigen Notizen merke ich, dass mein Ringfinger schmerzt. Verdammt, ich frage mich, warum der Ringfinger, warum nicht die Fußsohlen, die Beine, Knie-, Hüft- oder Schultergelenke. Absolut unverständlich aber beruhigend für mich, dass es nur der Ringfinger ist.
Vielleicht deswegen, weil ich mich auf dem Camino befinde.
Samstag, 27. Mai 2006Von Rabanal del Camino nach Molinaseca Der Weg des Pilgerkreuzes 28,700 km – 41.003 Schritte – 2.555 k/cal
Gestern Abend hat es etwas länger gedauert, wir starten aber trotzdem pünktlich. So richtig heiß soll es heute wieder werden, hören wir beim Abmarsch. Gleich zu Beginn liegt ein steiler Anstieg vor uns. Auf einer Strecke von etwa 6 Kilometern geht es in Richtung Foncebadon von 1160 auf 1420 m. Alles nicht so schlimm, aber als wir dort ankommen zeigt das Thermometer bereits die für heute angekündigte Temperatur von 33 Grad. Und wir müssen noch weiter bergauf. Auf 1504 m Höhe erreichen wir endlich das Cruz de Ferro, den höchsten Punkt auf unserer Pilgerschaft. Auf einem riesigen Steinhafen steht ein 5 m hoher Baumstamm, der von einem eisernen Kreuz gekrönt wird. Seit vielen Jahren werfen die Pilger hier einen mitgebrachten Stein ab, stellvertretend für die Lasten, die sie zu tragen haben und derer sie sich mit der Pilgerfahrt entledigen können. Wir wollen dem nicht nachstehen und tun das auch, ich allerdings nicht mit einem Stein von zuhause, sondern aus Dronningmølle, meinem Lieblingsferienort in Dänema rk. Schnell noch ein paar Fotos schießen und weiter geht´s. Als wir nach etwa eineinhalb Stunden den nächsten Ort, Manjarin, erreichen, lässt der Wirt der einzigen Cafe-Bar im Ort für uns die Glocken läuten. Ich mache schnell ein Foto, aber wir gehen vorbei und machen 200 m weiter unter einem schattigen Baum am Wegesrand Rast.
Von jetzt an schlängelt sich der Weg durch die Berge. Wir kommen nach El Acebo, hören Salutschüsse und reden uns ein, dass sie uns gelten, genau wie Stunden vorher das Glockengeläut in Manjorin. Über den Ort Riego de Ambros erreichen wir schließlich das heutige Ziel Molinaseca. In unserer Unterkunft La Casa del Reloj, anscheinend einem früheren herrschaftlichem Besitz, werden wir von einer resoluten älteren Dame begrüßt. Wir sind überrascht, als sie uns für die Dauer des Aufenthaltes anbietet, sich kostenlos mit Kaffee, Tee, Brot, Kuchen und Wein bedienen zu dürfen. Wir nehmen das Angebot dankend an.
Die heutige Etappe empfinden wir als eine der bisher anstrengendsten, nicht nur wegen der Hitze sondern auch wegen des schwierigen Weges und der recht steilen und steinigen Auf- und Abstiege, aber auch als eine der bisher landschaftlich Schönsten.
Bilder von heute :
Von Molinaseca nach Villafranca del Bierzo Templerburg und Pilgerstadt 30,600 km – 43.708 Schritte – 2.724 k/cal
Wir waren schon gestern überrascht, eine großzügige kostenlose Beköstigung zu erfahren. Zum heutigen Frühstück setzte die resolute Dame noch einen drauf. Sie serviert uns verschiedene Brote, mehrere Sorten Käse, Marmelade, Honig, kleine Kuchen, Kaffee, Tee, Milch, und – und – und ( den Wein haben wir selbstverständlich nicht angerührt ). Herzlich verabschieden wir uns. Voller Magen, anstrengende 30,6 km vor uns und eine vorausgesagte Temperatur mehr als 35 Grad im Schatten, hoffentlich geht heute alles gut, denken wir.
Beim gestrigen steinigen Abstieg zwischen El Acebo und Riego de Ambros hatte ich mir eine leichte Reizung des linken Unterschenkels zugezogen. Jetzt bin ich gespannt auf eventuelle Folgen. Abwarten.
Das erste Drittel des Weges bringt uns eine anstrengende Stadtpassage durch Ponteferrada, einer Templerstadt. Fast zehn Kilometer gehen wir betonierte Fußwege, müssen auf Verkehrsampeln und starken Autoverkehr achten, sehen Geschäft an Geschäft, müssen den ungewohnten Stadtlärm ertragen. All das haben wir zwei Wochen lang nicht gehabt. Wir wünschen uns die Ruhe der weiten Landschaften zurück.
Unterwegs überholen wir zwei Dänen aus der Umgebung von Kopenhagen, Vater circa Vierzig, Sohn vier bis fünf Jahre alt. Beide scheinen ihren Spaß miteinander zu haben. Der Vater erzählt uns, dass sein Sohn das Tempo und die Länge der Tagesetappen vorgibt und er das bedingungslos akzeptiert. Es scheint zu funktionieren.
Die Hitze wird immer unerträglicher, eine Gewitterschwüle kommt auf. Wir durchstreifen die hüglige Weinberglandschaft des Bierzo. Sie will einfach kein Ende nehmen. Wir vermissen schattenspendende Bäume oder Unterstände. Unsere Trinkvorräte gehen zuende. Hinter dem trostlosen Ort Cacabelos sind wir uns nicht mehr sicher ob wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg sind. Ich brauche nach immer kürzeren Abschnitten eine Pause. Noch 9,5 km bis Villafranca del Bierzo, sie werden für uns zur Qual. Erst um 18.30 Uhr kommen wir dort an, total erschöpft, fix und fertig, das Thermometer zeigt 34 Grad.
Beim ausziehen meiner Trekkings bemerke ich zwei Blasen am rechten Fuß. Ich ignoriere sie, stelle mich länger als sonst unter die (kalte) Dusche, wasche meine Wäsche, hänge sie auf den Balkon und schaffe es auch noch, den heutigen Tag zu Papier zu bringen. Schließlich nehme ich mir noch vor, im Hostal Burbia ein kühles Bier zu trinken, daraus werden allerdings 3 Flaschen a´1,5 Liter Agua Mineral. Das Bier werde ich mir für morgen aufheben. Von einem spanischen Tischnachbarn erfahre ich nicht nur, dass Fernando Alonso heute das Formel-Eins-Rennen in Monaco gewonnen hat sondern auch die heutige Höchsttemperatur : 37 Grad im Schatten, das entspricht einer Temperatur von mehr als 60 Grad in der Sonne. Und wir sind in der Sonne gegangen – 30,600 km !!!